1. Das große Erwachen
Wer aus dem Schlaf erwacht, kommt in eine Welt im Krieg.
Ein Leben als Schlafwandler ist zweifellos bequemer.
Die gegenwärtige Herdenmoral ist daher die Moral der Schlafwandler: Je mehr sie Wohlwollen, Toleranz, Akzeptanz, Offenheit, Anpassung, Mäßigung, Bescheidenheit und Skepsis befiehlt, desto mehr erlaubt sie sich die ultimative Grausamkeit, die krasseste Engstirnigkeit und den vollendeten Dogmatismus, wann immer sich die Gelegenheit ergibt, einen Ungehorsamen zu lynchen.
Alles gleitet über das schlafwandelnde Bewusstsein. Nichts prägt sich ein.
Der Starkregen der Tagesereignisse fließt durch die Rinnen des Geistes. Nichts ergibt besonders viel Sinn.
Was soll das bringen? Die Dinge sind, wie sie sind.
So sehr, dass auch nichts mehr besonders sinnlos erscheint.
Die Fact Checkers sorgen für den vorgeschriebenen Schlaf. Der Nationalmythos taugt so viel wie jedes Schlaflied. Es herrscht der große Informationsnebel.
Er ist in Wirklichkeit der Nebel des Krieges.
Die Konspirationisten versetzen die Schlafenden in große Unruhe. Wir stören ihren Schlaf. Sie ergehen sich über unsere Verwandlung in redseligen Erlebnisberichten, ganzen Reportagen voller Unterstellungen und dummer Klischees. Das ist auf dem besten Weg, eine Art weltweites Geschwätz zu werden. Die Schlafenden verstehen es nicht. Sie sind traumatisiert. Ihre Ehe ist zerstört. Die Familie erholt sich nicht mehr. Die Nachbarn – fangen wir davon gar nicht erst an. Sie erkennen uns nicht mehr wieder. Sie wenden sich freundlich an Ärzte, um uns zu „behandeln“ – sie, die nur die Worte der Nachrichten im Mund führen. Sie berichten über unser unaufhaltsames Abdriften, über die Ratschläge, die sie uns lobenswerterweise gegeben haben und über unsere unverständlichen Eskapaden. All das vergeudete Potenzial. Sie scheuen keine Mühen, um sich glauben zu machen, dass in dieser aus den Fugen geratenen Welt noch alles rund läuft.
Unser Verbrechen besteht in Wahrheit darin, dass wir versuchen, die Welt zu verstehen, in der wir leben, dass wir die Stirn haben, dies in unseren eigenen Worten, mit unseren eigenen Mitteln zu tun und dass wir dabei, was unverzeihlich ist, von uns selbst ausgehen.
„Man kann über alles diskutieren, nur nicht über Zahlen“, sagt die Regierung, wenn sie mit einer verlogenen Statistik herauskommt.
„Im Land von Aufklärung und Pasteur müssen wir aufhören, ständig über Fakten oder die wissenschaftliche Wahrheit zu debattieren“, sagt ungeduldig ein Präsident, der sich offensichtlich wenig mit der Anthropologie der Wissenschaften auskennt.
Die Anthropologen der Wissenschaft, die angefangen mit der Politik von Pasteur vierzig Jahre damit verbracht haben, „unbestreitbare Wissenschaften zu diskutieren“, ziehen es vor, zu verstummen; ein atomares Schweigen. Sie schauen weg und diskutieren über Ökologie. Daran lässt sich ihr persönlicher Wert messen.
Man spottet gerne über unseren Aufruf, eigene Nachforschungen zu betreiben. Vor allem in Frankreich, wo „persönliche“ Forschung nicht gern gesehen wird. Auch soll man es nicht wagen, sich auf eigene Erfahrungen zu berufen, wenn man sich ihrer nicht sogar schämt. Und Selbstvertrauen ist hier ohnehin ein gut erfasstes, gesellschaftliches Laster.
Verschwörungstheoretiker, so spottet man, würden lediglich im Internet recherchieren: man sieht sie nicht einmal in den Universitätsbibliotheken. Man muss sagen, dass es die Akademiker, bis auf sehr wenige und wertvolle Ausnahmen, nicht allzu eilig haben, zum Verständnis der verschiedenen Aspekte des Augenblicks beizutragen. Sei es, weil sie der Anblick ihrer abtrünnigen Kollegen, die als abschreckendes Beispiel gelyncht wurden, in Schrecken versetzt hat, oder weil sie, untereinander konkurrierend und hochspezialisiert, fast alles über nichts wissen: Ihre Wissenschaft hat noch den kleinstmöglichen Nutzen verloren.
Das Lustigste ist in einem gewissen Sinn, dass sich immerhin die „Dienste“ einmischen. Das FBI, der Verfassungsschutz, die DIGOS oder die DGSI sind uns auf den Fersen: Einige von uns hätten Lücken im offiziellen Storytelling entdeckt, andere hätten sich daran gestoßen, dass sie offen zu Vollidioten erklärt werden, wieder andere würden sich darauf vorbereiten, die praktischen Konsequenzen aus dem zu ziehen, was alle Welt weiß und was man in den Berichten der Expertengruppe des Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) lesen kann: dass diese Welt auf den Abgrund zusteuert. Gegen unschuldige Wohnprojekte auf dem Land inszeniert man Medienintrigen und beschlagnahmt ihre Gelder – eine Vorgehensweise, die früher für subversivere Bedrohungen reserviert gewesen war. Inhalte, die zu wenig konform und zu viral sind, werden diskret aus dem Internet entfernt. Die öffentliche Sicherheit scheint von nun an durch jede Kleinigkeit in Gefahr zu geraten. Es war noch niemals so einfach, zum Quasi-Terroristen zu werden.
Die Logik wird nunmehr anscheinend unter die Verbrechen gezählt. Die Verweigerung, sich den Heilmitteln einer Zivilisation zu beugen, die offensichtlich krank macht, wenn sie die Krankheiten nicht direkt erfindet. Die Verweigerung, die allerletzte Betrügerei eines „grünen Wachstums“ zu schlucken, das von denselben Marken vertrieben wird, die bislang alles verwüstet haben. Der Verweigerung, mit der Existenz von Monsanto Frieden zu schließen, da jeder verstanden hat, dass es niemals eine Alternative zu Monsanto geben wird, solange es Monsanto gibt. Der Verweigerung, sich – zwischen zwei Aperitifs und einer Linie Koks – in die selbstmörderische Flut dieser Zivilisation hineinziehen zu lassen. Sich nichts mehr von der gehässigen Masse der Anhänger des großen Schlafs zu erwarten. Kurz gesagt: den Umstand ernst zu nehmen, dass man auf der Welt ist, dass man lebt, im Hier und Jetzt, und von dort auszugehen. Voilà, damit haben Sie sich sofort als mystisch-sektiererisch-rechtsextremer Survival-Verschwörungstheoretiker qualifiziert. In manchen Augenblicken kommt uns der Verdacht, dass dieses ganze rund um Covid unternommene Unterfangen des planetarischen Terrors in erster Linie auf eine gewaltige Störung des Überlebensinstinkts abzielt – und zwar genau in dem Moment, in dem er erwacht und alles auf die Notwendigkeit hindeutet, das Schiff dringend zu verlassen und seine Fahrt mit allen notwendigen Mitteln zu stoppen.