4. Der coole Typ als Vernichtungsmaschine
So wie eine Technologie oder Welt dual sein kann, kann es auch ein Menschentyp sein. Das eine ist, um die Wahrheit zu sagen, nicht ohne das andere zu machen.
Und hier wird die Sache interessant.
Denn sie ermöglicht die moralische Einordnung des Kalten Kriegs.
Seine Auswirkungen auf unser Leben zu erkennen.
Und seine tatsächliche Struktur zu berühren, sein Außen zu verorten und ihn von diesem Außen aus wahrzunehmen.
Also raus aus ihm.
Was in einer Gesellschaft besonders neutral erscheint, muss uns am verdächtigsten sein.
Die Bestandteile der ethischen Normalität genießen immer die Tarnkappe des Banalen.
Um sich unhinterfragbar zu machen, ist es am besten, ohne Eigenschaften zu erscheinen.
Darin, so hoffen wir, liegt das Interesse dieser kleinen hier von uns gelieferten Genealogien.
Sie sollen die Sichtung der Meilensteine bei der Herstellung des Standards ermöglichen und vielleicht auch, sich von ihm zu lösen.
Grundsätzlich hat sich der Standardtyp, der Idealtyp der demokratischen Gesellschaften seit den 1950er Jahren nicht geändert.
Er ist cool, freundlich, emphatisch, kollaborativ, beweglich, anpassungsfähig, weder neurotisch noch zwanghaft, frei von Ressentiments, jenseits innerer und äußerer Konflikte, formlos, ohne Bindungen und ohne allzu starke Überzeugungen – kurz gesagt, er ist smart.
Er ist ebenso gut der Typus des idealen Managers wie des idealen Angestellten wie des idealen Freundes und Ehemannes.
Das Modell gibt es auch in weiblicher Form, mit denselben Eigenschaften.
Diese demokratische Menschheit wurde aufgebaut, und sie wurde im Rahmen eines Krieges aufgebaut – des Zweiten Weltkriegs und dann des Kalten Kriegs.
Das werden wir zeigen.
Dieses durch und durch positive Wesen wurde durch die bestimmte Negation des Nazifeindes und später des kommunistischen Feindes entworfen.
Diese idealerweise friedliche Kreatur ist in Wahrheit eine Kriegswaffe.
Sie ist eine in Plastikfolie gehüllte Maschine moralischer Vernichtung.
Ihr Lächeln verbirgt eine verheerende Bestimmung.
Zwischen den Zeilen trägt sie in ihrem Herzen die Schriftzüge dessen, was es auslöschen soll.
Sie ist alles in allem auch dual.
So wie Google die Maske des „Don’t be evil“ trägt und für die NSA arbeitet.
Wie Facebook in der Reklame „die Menschen verbindet“, bei sich aber „Move fast, break things“ flüstert.
Wie Mark Zuckerberg sich anbietet, um „die Demokratie zu schützen“, nachdem er am Ende jeder Teamsitzung „Domination!“ gedonnert hat und seine Tochter aus Faszination für den ersten Kaiser von Rom August nannte.
Sehen wir uns an, wie dieser Typ hergestellt wurde.

Die ganze Geschichte beginnt damit, das sich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten eine ganze Reihe progressiver Intellektueller seiner Vorbereitung widmen, obwohl in der Bevölkerung eine pazifistische Abwartehaltung vorherrscht. Seit 1914–1918 sind Kriege nicht allein eine Angelegenheit der Armeekorps, sie führen vielmehr zur totalen Mobilisierung der Gesellschaft wie auch der Lebewesen. Die Organisation der Industrie oder der Landwirtschaft kann einer der Krieg führenden Seiten den entscheidenden Vorteil bringen – genauso gut wie ihre Luftwaffe oder die Disziplin ihrer Arbeiterklasse. Der zu brechende Feind besteht in letzter Instanz im Widerstandswillen und in der Moral der gegnerischen Bevölkerung – daher später die Bombardierung von Dresden und Hiroshima. Für unsere Intellektuellen ist es daher wichtig, Amerika mit einer Sache auszustatten. Einer Sache, mit der man Deutschland wie Japan und später die UdSSR besiegen kann; mit der man das Land mobilisieren und elektrisieren kann. Wir haben da Psychologen wie Erich Fromm, Gordon Allport oder Abraham Maslow – sie wissen schon, die berühmte Maslowsche Pyramide aus dem Marketingunterricht –, Kommunikationstheoretiker wie Harold Lasswell oder Paul Lazarsfeld, Journalisten wie Lyman Bryson, einen Kunstkritiker und Verantwortlichen der Rockefeller-Stiftung, oder Anthropologen wie Gregory Bateson, seine Frau Margaret Mead und die Professorin und Geliebte der letzteren, Ruth Benedict. Sie alle stellten sich schließlich in den Dienst der amerikanischen Kriegsanstrengungen – der eine im Office of Strategic Services, der andere im Office for War Information, der nächste im Office of the Coordinator of Inter-American Affairs und einer im Committee for National Morale. Im Rahmen des letzten Komitees, das insbesondere für die Entscheidung zuständig war, ob man ein Propagandaministerium nach dem Modell von Doktor Goebbels aufbaut, werden Margaret Mead, Gregory Bateson und Ruth Benedict die amerikanische Sache in Abgrenzung vom Nationalsozialismus entwerfen. Die Sache, mit der man den Krieg rechtfertigen und die Moral der Truppen stärken wird.
1939 finanziert die Rockefeller Foundation noch immer das Institut für Eugenik von Doktor Mengele, ist die deutsche Dehomag die weltweit größte Tochtergesellschaft der späteren IBM – diese Filiale verwaltete während des gesamten Krieges die in den Konzentrationslagern aufgestellten Lochkartenmaschinen –, dienen die in den meisten Bundesstaaten gültigen amerikanischen Eugenikgesetze dem nationalsozialistischen Gesetzen zur Erhaltung der Rasse als Vorbild, ist Henry Ford einer der weltweit größten Fans von Hitler und umgekehrt macht Deutschland den wesentlichen Posten für amerikanische Auslandsinvestitionen aus, empfindet die das Land unter demokratischem Anschein regierende WASP-Aristokratie (White Anglo-Saxon Protestant) eine heimliche Bewunderung für die deutsche Disziplin, marschieren lokale faschistische Bewegungen im Stechschritt über den Times Square und organisieren Massenversammlungen. Daher ist es noch schwach ausgedrückt, wenn man sagt, die Definition der amerikanischen Sache als dem Nationalsozialismus wesensfremd und Deutschland gegenüber feindlich versteht sich nicht von selbst. Man muss die Wirklichkeit sogar ein wenig verbiegen, um sie als Selbstverständlichkeit durchzusetzen. Diese Sache wird in Verteidigung der demokratischen Persönlichkeit Amerikas gegen die autoritäre Persönlichkeit des Faschismus und später des Kommunismus bestehen. „Da alle westlichen Nationen tendenziell in einem bipolaren Schema denken und handeln, wäre es zur Stärkung der amerikanischen ‚Moral‘ gut, unsere verschiedenen Feinde als ein einheitliches feindliches Gebilde zu betrachten“, empfiehlt Bateson 1942. Margaret Mead macht sich an die Arbeit. Das Ergebnis ist ihr Buch And Keep Your Powder Dry (1942). Nachdem sie den Ethos der Balineser oder von Iatmul bestimmte – ihre Lebensform, würde man heute sagen –, kehrt die in den 1920er und 1930er Jahren entstandene kulturalistische Anthropologie Amerikas wieder in ihr trautes Heim zurück, um zu erläutern, was das amerikanische Ethos ist. Sprich: um es als solches zu erfinden. Bald wird sie sich im Auftrag des Militärs mit dem Ethos Japans oder der Sowjetunion befassen, mit dem Ziel, diese erfolgreicher zu zerstören. Einige Auszüge zur Erinnerung:
„Das Wesen der puritanischen Persönlichkeit, die ihre vollendetste Entwicklung in Amerika erreicht hat, besteht in einer Mischung aus praktischem Sinn und dem Glauben an die Macht Gottes – oder an moralische Ziele. ‚Glaubt an Gott, aber haltet euer Pulver trocken‘, sagte Cromwell. […] Den Krieg zu gewinnen ist eine Sache des Social Engineering. […] Klar müssen wir die Lektion akzeptieren, dass die Welt von nun an eins ist, dass wir und unsere Feinde im selben Netz gefangen sind, aus dem wir uns weder einen Ausweg schneiden noch einen solchen beseitigen können, ohne gleichzeitig die Zukunft des anderen zu gefährden. Wenn wir von der Kontrolle der Welt reden, bedeutet dies einen Übergang von der Armee zur Polizei, von einer Welt, die als ein Ensemble einander bekriegender, nationaler Einheiten gesehen wird, zu einer einzigen bürgerlichen Einheit. […] Wir müssen die Kulturen Frankreichs und Albaniens, Rumäniens und Indiens studieren und bewahren. […] Zur gleichen Zeit müssen wir all diese Kulturen zur Beseitigung bestimmter Elemente drängen, die mit der Ordnung der Welt, wie wir sie sehen, unvereinbar sind. […] Wir müssen die Instrumente sein, die einer kreativen, auf der Achtung von Unterschieden beruhenden Ordnung Gestalt verleihen, und die Skalpelle, die das herausschneiden, was nicht von unserem speziellen Traum übernommen werden kann. […] Die Plattform, die Amerika anbieten kann, ist ein Skelett, eine minimale Plattform – die vier Freiheiten, ein moralischer Zweck, Ingenieurskunst. […] Wenn wir den Spuren anderer großer Kulturen folgen, und wenn wir mit Mitgliedern dieser Kulturen beim Aufbau einer neuen Welt zusammenarbeiten, werden wir beeindruckende Wege finden, um die verblüffende wie aufregende menschliche Energie auszunutzen und um die natürlichen Ressourcen auszubeuten. […] Für den Wiederaufbau nach dem Krieg brauchen wir eine Formel, mit der wir diese Institutionen – die Menschen hervorbringen, die sich dem Krieg, der Herrschaft und der gnadenlosen Grausamkeit verschreiben – behandeln können, als wären sie ein gefährliches Virus. Von ihnen grundsätzlich infizierte Individuen behandeln wir als Träger tödlicher sozialer Krankheiten. Wir müssen insbesondere die soziale Organisation von Preußen und Japan analysieren und wissenschaftlich versuchen, jene Elemente zu beseitigen, die überzeugte Faschisten hervorbringen. […] Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Krankheit richten – denn es handelt sich wohl um eine Krankheit, da dieser systematisierte Hass danach trachtet, in die ganze Welt einzudringen – und nicht auf den Träger der Krankheit, wenn wir die Krankheit bekämpfen und die am stärksten Infizierten nur aussondern, sollten wir gezwungen werden, wenn wir mit uns selbst genauso streng und unnachgiebig sind wie mit unseren Feinden –, dann werden wir vermeiden, uns selbst als Instrumente einer neuen Ordnung zu korrumpieren. […] Wir sind die Substanz, mit der dieser Krieg geführt wird.“
Die von Erich Fromm, Wilhelm Reich und Abraham Maslow in den 1920er und 1930er Jahren durchgeführten Studien zum autoritären Charakter – gepanzert, starr, im Konflikt mit sich selbst und der Welt, „unfähig, sich selbst zu erkennen, […] Ich zu sein“ (Adorno & Co.) – laufen im Gegenzug auf die Definition der demokratischen Persönlichkeit hinaus – offen, integer, umfassend, authentisch, spontan, autonom.
Be yourself.
Be yourself gegen die Nazis und die Kommunisten.
Der amerikanische Krieg ist therapeutisch.
Wenigstens in dieser Sprache, in der er sich selbst ausdrückt.
Es geht darum, diese von Neurotikern bevölkerte Welt zu heilen, sie von diesen hasserfüllten Menschen zu säubern – diesem unverständlichen „Hass“, der bald das Internet und die sozialen Netzwerke überschwemmen wird –, diesen Menschen, die ihren inneren Konflikt überall verbreiten. Sie sollen durch positive Persönlichkeiten ersetzt werden. Kurzum.
Man heilt diejenigen, die man zerstört, vom selbst empfundenen Hass,
den sie nicht mehr empfinden,
da sie nicht mehr existieren.
Bei allem Wohlwollen.
„Be polite. Be professional. Be prepared to kill“, resümiert John Nagl, einer der Redakteure des aktuellen amerikanischen Handbuchs zur Aufstandsbekämpfung.
„Die Aufgabe [den demokratischen Charakter auszuarbeiten] besteht in nichts weniger, als im drastischen und kontinuierlichen Neuaufbau unserer eigenen Zivilisation und der meisten uns bekannten Kulturen“, schrieb der Politologe Harold Lasswell in seinem Demokratischen Charakter.
Das war 1951.
Mission accomplished!