2. Bestrebungen, den anderen verrückt zu machen
Der Begriff Nudge, eine „sanfte Methode, um kluge Entscheidungen anzustoßen“, ist selbst ein enormer Nudge.
Eine Falle für Einfaltspinsel.
Diejenigen, die euch davon überzeugen wollen, dass die Menschheit eine Ansammlung von Nichtsnutzen ist, haben sich in aller Regel große Verbrechen vorzuwerfen.
Die euch als eine verwahrloste Brut darstellen – zu keiner vernünftigen Entscheidung fähig, überschwemmt von zweihundert registrierten kognitiven Verzerrungen –, verbergen kaum ihre Ambition, die Herde anzuführen; sie, die so gute Gründe für deren Unterwerfung haben.
Die politischen Programme in Form von Oxymora sind allesamt Aufrufe zur Knechtschaft. Die Forderung von Richard Thaler und Cass Sunstein nach einem „libertären Paternalismus“ bildet hier keine Ausnahme. „Für Entscheidungsarchitekten ist es legitim, das Verhalten der Menschen zu beeinflussen, um ihnen zu helfen, länger, besser und gesünder zu leben. Anders gesagt, wir sind dafür, dass private Institutionen, Behörden und Regierungen bewusst versuchen, die Entscheidungen der Menschen in Richtungen zu lenken, die ihre Lebensqualität verbessern.“ (Richard Thaler und Cass Sunstein, Nudge, 2008).
All dieser gute Wille, sich – dem Vorbild des „schmerzlich vermissten Milton Friedman“ folgend – für das Gute einzusetzen, wie es unsere linken Autoren ausdrücken, täuscht nur die Journalisten. Er zeugt einzig und allein davon, dass die „liberale“ Welt sich nur behaupten kann, indem sie alle Prinzipien negiert, auf denen sie historisch beruhte: die Redefreiheit, die individuelle Autonomie, den Respekt vor der menschlichen Person, die Ablehnung des Paternalismus.
Die klassische politische Ökonomie ging von einer augustinischen Anthropologie aus: Die Menschheit ist Gefangene ihrer erbärmlichen Begierden, ihrer Eigenliebe, ihrer Eitelkeit und ihrer unendlichen Schändlichkeiten. Sie versprach, die Menschen der Willkür ihrer weltlichen Leidenschaften zu entziehen, indem sie sie ihren materiellen Interessen und ihrer vermeintlichen Rationalität unterwarf. Vielleicht würde das menschliche Würmchen auf diese Weise Gott das äußerliche Spektakel einer gewissen Regelmäßigkeit bieten, die Illusion möglicher Güte. Unsere neuen Ökonomen berufen sich auf ihre Kenntnisse der „Psychologie“ und der „Kognitionswissenschaften“, um, wie sie sagen, die Fiktion des Homo oeconomicus aus der Welt zu schaffen: In Wahrheit ist der Homo sapiens nicht rational. Man hat sich geirrt. Er kann nicht einmal rechnen. Er kann nur folgen – den Anderen, seinen Launen, seinen Hormonen. Er ist ein „einfacher Sterblicher“, und kein „Econ“. Er folgt nie spontan seinem „planenden, der Zukunft zugewandtem Ich, das gute Absichten hat und sich um die Zukunft sorgt“, sondern eher seinem „machenden Ich, das einen unbekümmerten Charakter hat und in der Gegenwart lebt“. (Richard Thaler, Misbehaving. Was uns die Verhaltensökonomik über unsere Entscheidungen verrät, 2015). So erfinden unsere neuen Ökonomen das Rad noch einmal, indem sie die Anfangsgeste der politischen Ökonomie wiederholen. Sie geben wie ihre Vorfahren vor, ihren Mitmenschen das Heil zu bringen, indem sie auf ihre widerliche Natur einwirken. Das einzig Neue daran ist, dass unsere technokratischen Azubis ihre vor Empathie überbordenden Schreibtische in die oberen Stockwerke gestellt haben und sich damit abfinden, die menschliche Masse unten herumwuseln zu sehen – diese Masse, die es gerade einmal verdient, dass man ihre kognitiven Voreingenommenheiten gegen ihre kognitiven Voreingenommenheiten ausspielt, dass man ihr irgendwas erzählt, weil sie eh irgendwas denkt, und dass man sie guten Gewissens „zu ihrem Besten“ manipuliert. Jedes Mal, wenn sie sagen „So ist der Mensch“, muss man hören „Dazu machen wir ihn“. Einzig die Dreistigkeit dieses gesellschaftlichen Engineering ist halbwegs neu, auch wenn die Neoliberalen davon nie ganz frei waren. Sie zeigt an, dass eine neue Generation enthemmter Zyniker zu Verantwortlichen aufgestiegen ist. Für sie „wird es noch Prinzipien geben, wie es sie auch in der Vergangenheit gegeben hat, denn anscheinend können die Menschen darauf nicht verzichten, doch sie werden nur noch existieren, um in der Theorie angeführt und in der Praxis verletzt zu werden“. (Marcel Bourgeois, Die Augen zum Weinen. 50 Jahre bei den Bossen, 2019) Cass Sunstein konnte es sich zu Beginn der „Pandemie“ nicht verkneifen, sich über den irrationalen Schrecken lustig zu machen, den das Virus bei den „einfachen Sterblichen“ hervorrief, nur um sechs Monate später die Leitung der Arbeitsgruppe der WHO zu übernehmen, die die Organisation beriet, wie die Zurückhaltung gegenüber der Impfung überwunden und gleichzeitig die „Hygienemaßnahmen“ verewigt werden könnten. Und das ist, von seiner Position aus, vollkommen logisch.
Abgesehen vom Nudge sind die „Verhaltenswissenschaften“ nur die x-te, lästige Wiederholung alter Experimente der Sozialpsychologie zur Zeit des Kalten Krieges in neuer Verpackung.
Man begnügte sich damit, sie rasch mit dem Anstrich der Neurowissenschaften, der Spiegelneuronen und anderer Hypothesen des social brain zu versehen – der Hypothese, dass die Komplexität des menschlichen Gehirns und seiner Mechanismen durch den Herdencharakter der Gattung und die Komplexität ihrer gesellschaftlichen Interaktionen erklärt werden kann. Im November 2008 versammelte die erste Social Brain Conference in Barcelona Politiker, Biologen, Neurologen und andere Spezialisten der Kognitionswissenschaften. Sie ließen sich über so vielfältige Themen aus wie „Von der Feindseligkeit zur Empathie: Neurobildgebungsstudien über die Konstruktion von Gerechtigkeitsblockaden“ oder „Genetische Marker guter und schlechter Kooperation: Ein biologischer Zugang zu Gerechtigkeit in ökonomischen Tauschbeziehungen“. Der Glaube, dass die „sozialen Neurowissenschaften“ endlich die „Schlüssel zum menschlichen Verhalten“ liefern, fügt dem Axiom der Sozialpsychologie nichts an Substanz hinzu, das Gordon Allport 1954 als Motto dem Historiker Vico entlehnte: „Die Regierung muss sich an die Natur des von ihr regierten Menschen anpassen.“ Und dafür muss man das Vieh ja studieren. Auf Grundlage dieses Axioms wurden von den 1940er bis zu den 1980er Jahren zahlreiche redundante Experimente über das menschliche Verhalten durchgeführt – „über das amerikanische Verhalten“, müsste man wahrscheinlich sagen, denn so gut wie alle fanden in den Vereinigten Staaten statt. Diese alten Hüte sind es, die die „Verhaltenswissenschaften“ heute als ihre brandneuen Errungenschaften präsentieren.
Eric Singler stottert mit seinen Banalitäten über den menschlichen Konformismus bloß das berühmte Experiment Solomon Aschs von 1951 nach. Es bestand darin, einer Gruppe mehrere Balken auf einem Blatt Papier vorzulegen. Man sollte eine Aussage über ihre jeweilige Länge treffen. Alle Mitglieder der Gruppe waren in Wahrheit Komplizen des Experimentators, außer das „naive Subjekt“, das das eigentliche Objekt des Experiments war, davon aber nichts wusste. Alle antworteten wahrheitsgemäß auf die Frage nach der Länge der Balken, bis sie von einem bestimmten Augenblick an begannen, im Chor zu lügen. Das Subjekt war zuerst verwirrt, log aber schließlich in der Regel mit. Das Experiment sollte zeigen, dass das Individuum in einer Gruppe eher seine eigenen Wahrnehmungen mit Füßen tritt, als der Gruppe zu widersprechen – und sei es nur äußerlich, um seinen Frieden zu haben, obwohl es im Grunde genau weiß, dass alle Unsinn reden.
All die kleinen, alltäglichen, so ulkigen Gesten, durch die wir unsere Beteiligung am „Krieg gegen das Virus“ zeigen sollten, wollten unsere Zustimmung zu ungeheuren Maßnahmen erheischen, mit denen unsere Freiheiten eingeschränkt wurden – und zwar auf Basis des Freezing, das 1947 von Kurt Lewin theoretisiert wurde.
Die Bereitschaft, Befehle zu befolgen, selbst wenn man sich dabei völlig inhuman verhält, solange es nur eine Person im weißen Kittel befiehlt, wurde in dem berühmten Experiment zur „Unterwerfung unter die Autorität“ von Stanley Milgram 1961 erforscht. Die Mitteilungen der Regierung seit 2020 haben auf dieser Grundlage optimal gewirkt.
Die Bilder von Menschen, die im Januar 2020 in den Straßen von Wuhan wegen des Coronavirus plötzlich tot auf der Straße umfallen, oder diejenigen von Todkranken in den Krankenhausfluren haben explizit den „Verankerungseffekt“ ausgenutzt, der den Forschungen der Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman in den 1970er Jahren entstammt und der für alle Ewigkeit mit der „neurolinguistischen Programmierung“ von Richard Brandler und John Grinder verbunden sein wird. Diese Verzerrung will erreichen, dass die menschlichen Subjekte die größten Schwierigkeiten haben, sich in Situationen der Unsicherheit vom ersten Eindruck abzulösen, den sie mit einer Vorstellung verbinden oder der damit verbunden wurde.
Die in den Medien verbreiteten Erfahrungsberichte der Stars, die von ihrer Impfung erzählten, zielten darauf ab, den „Halo-Effekt“ auszunutzen, den Nisbett und Wilson 1977 entdeckten: Anscheinend verändert die Berühmtheit der zu einem sprechenden Person unbewusst das Urteil über die Gültigkeit dessen, was sie sagt.
Die weltweite Impfkampagne entspricht keinerlei medizinischen Rationalität. Für die meisten Menschen sind die marktbeherrschenden „Impfstoffe“ schädlicher als das Virus, sie immunisieren nicht gegen die Krankheit als solche. Sie befördern sogar die Entstehung noch ansteckenderer Varianten. Kurzum: Sie befriedigen allein die Leidenschaft, neue Spielzeuge auf globaler Ebene auszuprobieren, und die Habgier derjenigen, die sie verkaufen. Es ist daher verlockend, darin die Umsetzung der berühmten und wichtigen „Theorie des Engagements“ zu sehen, die Kiesler 1971 in seiner Psychologie des Engagements formulierte. Die anthropologische Hypothese von Kiesler sowie der gesamten Sozialpsychologie ist, dass die Menschen nicht gemäß ihrer Gedanken und Aussagen handeln. Ihr Bewusstsein und ihr Sprechen dienen einzig und allein dazu, ihre Handlungen nachträglich zu rechtfertigen. Ihr werdet geneigt sein, einem Verkäufer zu folgen, der euch anlächelt und am Arm berührt, und danach eure Kaufentscheidung zu rationalisieren. Für die Sozialpsychologie wird derjenige, der irrationalerweise einer Injektion zugestimmt hat, dazu gebracht, die ganze Propaganda, die ihn dazu geführt hat, zu rechtfertigen. Um an seiner Handlung festhalten zu können, wird er sich an der politischen Ordnung festhalten, die ihn dazu gebracht hat. Der „Bestätigungsfehler“, nach dem jeder diejenigen Informationen auswählt, die ihm recht geben, erledigt den Rest.
Die Irrationalität der seit März 2020 eingeführten Maßnahmen hat ihre eigene Logik.
Die damals etablierte Unmöglichkeit jeder fundierten Diskussion über den Verlauf der Ereignisse ist selbst eine Politik.
Eine Politik, die sich auf die Sozialpsychologie stützt.
Wer sich einer Norm unterwirft, die so sehr jeder Grundlage entbehrt wie das Tragen einer Maske an der frischen Luft, wird dazu neigen, später alle weiteren Veränderungen von Normen zu akzeptieren, und die werden weniger harmlos sein. In der Sozialpsychologie nennt man diese Technik „einen Fuß in der Tür haben“ – in diesem Fall handelt es sich eher um „einen Fuß im Mund“.
Wenn „die Franzosen“ zu ihrem „Verantwortungsbewusstsein“, ihrem „Bürgersinn“ und ihrer „Disziplin“ beglückwünscht werden, heißt das, die Technik der sogenannten „Etikettierung“ zu praktizieren, die die Menschen darin bestärken will, dem schmeichelhaften Bild zu entsprechen, das man ihnen anbietet.
„Verhaltensweisen zu verändern“ ist die fixe Idee einer Welt, in der alles darauf hinweist, dass sie es ist, die verändert werden muss.
An dieser Leier ist nichts Neues.
„Den Widerstand gegen Veränderung überwinden“, so lautete der Titel eines Artikels der amerikanischen „Human Relations“-Bewegung im Jahr 1948.
Damals ging es darum, den Arbeitern das – offensichtlich illusorische – Gefühl zu vermitteln, an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen mitzuwirken, um ihre Produktivität zu erhöhen.
Mit seiner therapeutischen Konnotation ist diese „Kunst der Veränderung“, die der Palo-Alto-Gruppe und ihrem „strategischen Ansatz“ so lieb ist, die verdrehteste Form des Klassenkampfs.
Die Maßnahmen, denen wir seit März 2020 massiv unterworfen werden, sind nicht allein Teil einer gigantischen Operation der Sozialpsychologie, sondern zugleich auch eine systematische Spekulation darauf, dass der Kurs unserer Mitmenschen fällt. Es handelt sich zweifellos um die größte Attacke auf die Lebensfreude, die es bis zum heutigen Tag gab. Die Eigentümer dieser Gesellschaft haben in einer nie dagewesenen Konzentration eine Kombination aus allen seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Beeinflussungstechniken auf uns angewandt. Es ist ein Trommelfeuer der Manipulationen. Man muss das KUBARK-Manual lesen – das „Verhör“-Handbuch der CIA –, um das Ausmaß der Verwandtschaft zwischen unseren Erlebnissen und den Praktiken der psychologischen Folter zu erkennen, die den Widerstand von Gefangenen brechen und sie dazu bringen sollen, zu kooperieren.
„Wenn sie lange genug aufrechterhalten wird, ruft die starke Angst vor etwas Vagem oder Unbekanntem Regression hervor […]. Es reicht nicht aus, die Quelle durch ständige Angst unter Spannung zu setzen; sie muss auch einen akzeptablen Rettungsweg erkennen. […] Wie alle anderen Techniken der Zwangsausübung ist die Bedrohung dann am effektivsten, wenn sie so eingesetzt wird, dass sie Regression befördert und wenn begleitend ein Weg aus dem Dilemma nahegelegt wird […].“
„In dem Maße, in dem das Gefühl für und die Orientierungspunkte in der Außenwelt ferner rücken, schwindet auch ihre Bedeutung für den Verhörten. Die Welt wird durch den Verhörraum, die beiden Personen darin und die dynamische Beziehung zwischen ihnen ersetzt. Im Verlauf des Verhörs stützt sich die Person immer mehr auf die Werte der Welt des Verhörs und nicht auf die der Außenwelt.“
„Das Ziel der Alice-im-Wunderland- oder Verwirrungstechnik besteht darin, die Erwartungen und konditionierten Reaktionen des Verhörten durcheinanderzubringen. Er ist an eine Welt gewöhnt, die einen gewissen Sinn ergibt, zumindest für ihn: eine Welt der Kontinuität und der Logik, eine vorhersehbare Welt. Er hält an dieser Welt fest, um seine Identität und seine Widerstandskräfte zu stärken. Die Verwirrungstechnik soll nicht allein das Vertraute auslöschen, sondern es durch das Fremde ersetzen. […] In dieser verwirrenden Atmosphäre stellt das Subjekt fest, dass die Sprach- und Denkmuster, die es als normal anzusehen gelernt hat, durch eine beunruhigende Sinnlosigkeit ersetzt wurden. Der Verhörte beginnt vielleicht, darüber zu lachen, und weigert sich, die Situation ernstzunehmen. Doch wenn der Prozess weitergeht, falls nötig tagelang, wird das Subjekt zu beginnen versuchen, der mental unerträglich werdenden Situation einen Sinn abzugewinnen. Um diesen verwirrenden Ansturm, dem es ausgesetzt ist, aufzuhalten, wird es allmählich bereit, aufschlussreiche Geständnisse zu machen oder sogar mit seiner ganzen Geschichte herauszurücken.“
Wie der werte Harold Wolff von der Society for the Investigation of Human Ecology 1956 in einem Bericht über „kommunistische Kontrolltechniken“ für die CIA schrieb: „Der Mensch, mit dem es der Vernehmer zu tun hat, kann als jemand betrachtet werden, der absichtlich zum Patienten gemacht wurde“. Man braucht sich also nicht zu wundern, dass die „Verwirrungsmethode“ von Methoden abstammt, die von Milton Erickson verwendet wurden, um eine hypnotische Regression herbeizuführen. Milton Erickson, genannt der „Zauberer von Phoenix“, war Präsident der ersten Macy-Konferenz, aus der die Kybernetik hervorging. Er war es, der die therapeutische Hypnose im 20. Jahrhundert zu neuem Leben erweckte. Er ist der amerikanische Anti-Freud – er kennt nur Fälle und die Geschichte ihrer Express-Heilung und misstraut jeder Theoretisierung ebenso wie jeder Deutung. Er hat unzählige Jünger in allen möglichen Fachrichtungen, wollte aber nie Schule machen. Einer seiner französischen Erben beschreibt die besagte Methode so: „Eine andere charakteristische Art, das wache Bewusstsein zu entmächtigen, besteht darin, die Person zu desorientieren, indem man sie aus ihrem gewohnten Referenzrahmen entfernt. Das ist die von Milton Erickson entwickelte Verwirrungsmethode. Dabei geht es darum, die Wirklichkeit kurzfristig so zu gestalten, dass sie für die Person unannehmbar wird und für den Moment sinnlos, so, dass sie ihr keinerlei Sinn mehr geben kann. Daraufhin setzt eine Art Lähmung ein, in der die Person so sehr versucht, dem, was geschieht, einen Sinn zu geben, dass ihr Reaktionsvermögen überlastet ist. In diesem Zustand der Überwältigung entsteht bei ihr ein großer Hunger nach Klarheit, das Bedürfnis, endlich eine klare Botschaft zu erhalten. Sie wird daher sehr bereitwillig die erstbesten Suggestionen aufnehmen, die der Hypnotiseur ihr anbietet.“ (Thierry Melchior, Die Wirklichkeit erschaffen, 1998)
Milton Erickson war bis zu seinem Tod mit Gregory Bateson befreundet. Die beiden trafen sich 1942, als beide für amerikanische Nachrichtendienste arbeiteten. Die genannte „Verwirrungstechnik“ ist eine der Quellen für Batesons mythenumrankte Theorie der Schizophrenie, derzufolge die Schizophrenie den Versuch darstellt, einen Ausweg aus der unerträglichen Double-Bind-Situation zu finden, zu der das einander widersprechenden Anordnungen ausgesetzte Subjekt notwendig verdammt ist. Gregory Bateson ist nicht nur der sympathische LSD-abhängige Kybernetik-Opa im Hawaiihemd, der in einer Kommune in der Nähe von Santa Cruz lebt und sein Leben in der Therapie-Management-Oase von Esalen am Ufer des Pazifik beendet. Er war auch ein Agent des OSS, dem direkten Vorgänger der CIA. Er wurde während des Zweiten Weltkrieg als Freiwilliger in Thailand, China, Indien, Ceylon und Birma stationiert, wo er in einer „vorgeschobenen Geheimdiensteinheit“ diente. Von den birmanischen Bergen von Arakan aus betrieb er Piratenradiosender, die irreführende Propaganda auf Japanisch ausstrahlten. Damit setzte er seine anthropologische Theorie der Schismogenese in die Praxis um, wie sie in Naven (1936) beschrieben ist – nämlich die Kunst, in einer Zielpopulation Zwietracht zu säen, indem in ihr Beziehungen der Rivalität oder Feindschaft, paradoxe Kommunikationssituationen oder die Unmöglichkeit der Kommunikation erzeugt werden. Im vorliegenden Fall bestand die schismogenetische Technik darin, mit einem Radiosender, der fälschlich als Sender der japanischen Besatzer ausgegeben wurde, einen so extremen Diskurs voranzutreiben, dass die Bevölkerung der besetzten Gebiete sich in eine pro- und eine antijapanische Gruppe spaltete. Es ging darum, dem Feind die Unterstützung der Bevölkerung zu entziehen. Diese Strategie ist mittlerweile zum Allgemeingut der zeitgenössischen Propaganda geworden – russische Trollfarmen aus „Ingenieuren des Chaos“ sind überall am Werk. In der Sprache der psychologischen Operationen nennt man das „schwarze Propaganda“. Bateson blieb übrigens lebenslang mit Harold Abramson befreundet, dem Psychiater des MK-ULTRA-Projekts. Daran sieht man, dass Bateson, der Legende zum Trotz, er sei ein Linker, ebenfalls ein Prototyp der dualen Subjektivität war.
New Yorker U-Bahn: „Sei nicht diese Person.
Stoppen Sie die Ansteckung. Tragen Sie eine Maske.“
Wer wollte bestreiten, dass wir seit zwei Jahren systematisch einer Abfolge von Angststimuli ausgesetzt sind, die einen Zustand folgsamer Regression erzeugen sollen, eine methodische Verengung unserer Welt, sowie widersprüchlichen Anweisungen, die uns beeinflussbar machen sollen? Geht es nicht darum, uns in eine Situation existenzieller Täuschung zu versetzen, die uns für jeden denkbaren Coup verwundbar macht?
„Kümmert Euch umeinander / aber geht Euch gegenseitig aus dem Weg“
„Bleibt zu Hause / aber geht zur Arbeit“
„Handelt verantwortlich / aber lasst uns machen“
„Die Situation ist unter Kontrolle / aber sie kann uns jeden Moment entgleiten“
„Lasst euch impfen / aber die Impfung schützt euch nicht“
„Das Virus ist furchtbar gefährlich / aber es tötet nur die Alten, Übergewichtigen, Diabetiker, Herzkranken“
„Wir misshandeln euch / es ist zu eurem Besten“
„Vertraut uns / wir manipulieren euch“
„Streben wir kollektive Immunität an / es gibt keine kollektive Immunität“
„Drogen schaden / aber Ärmel hoch!“
Usw.
Dieser erzeugte Zustand kognitiver Dissonanz trennt, wie vorgesehen, Gruppen und Subjekte. Vor dem Hintergrund einer inneren Lähmung wird der blinde Gehorsam der einen von einem obsessiven Rückzug in sich selbst der anderen beantwortet. Daraus resultiert bei den Menschen „das Gefühl, dass die Wahrheit einfach nicht erkannt werden kann, und eine resignierte Einstellung, die zum Rückzug aus der Politik und zu einer Handlungslähmung führt. Für die Mächtigen kann das günstig sein, denn diejenigen, die etwas verändern wollen, müssen Menschen überzeugen, während die, die an der Macht bleiben wollen, nichts weiter tun müssen, als sie bis zur Untätigkeit zu lähmen.“ (Zeynep Tufekçi, Twitter and Tear Gas, 2017). All die Unsicherheiten im Management der Krise können nicht verbergen, dass es sich in Wirklichkeit um ein Experiment eines Managements durch Unsicherheit handelt. Ja, sogar um ein Management durch paradoxe Anweisungen, wie man sie Ende der 1990er Jahre in internen Seminaren für Kader französischer Firmen auftauchen hat sehen. Die vollendete Kunst, mit der es die Regierenden verstanden haben, die Geimpften gegen die Ungeimpften aufzuhetzen, kann in den Rang eines Schulbeispiels für perverse Kommunikation erhoben werden. Das begann am 1. Juli 2021 mit der Aussage eines Regierungssprechers: „Ich befürchte eine Art von Bruch zwischen denen, die sich impfen lassen werden, und denen, die sich nicht impfen lassen wollen“. Gefolgt von einem Telefoninterview mit Bernard Kouchner am 11. Juli: „Wer sich entscheidet, das Virus individuell zu bekämpfen, ist, wenn nicht ein Deserteur, so doch mindestens ein Verbündeter des Virus. Die Impfung ist keine persönliche Angelegenheit. Sie zu verweigern, ist Verrat.“ Diese stark an Dark Winter erinnernden Äußerungen wurden, wenig überraschend, am Tag vor dem Gewaltstreich des Präsidenten der Republik getätigt: seiner Rede vom 12. Juli, die darauf abzielte, „Bürgersinn zu zeigen und die Einschränkungen eher den Ungeimpften als allen aufzuerlegen“. Oder in den Worten eines seiner Vasallenminister: „Auf die Ungeimpften einprügeln [, denen] es teuer zu stehen kommen wird“. Das Gespenst einer vierten Welle und jeder Vernunft spottende Argumente wie „die Ungeimpften bedrohen das Leben der Geimpften“ bildeten die Kulisse einer schlichten Erpressung: Von nun an musste man sich dieser widerlichen „Impfung“ unterziehen oder zu Hause bleiben, jedes Einkommen verlieren und auf jede Aktivität verzichten. Zum Schluss erhielt man am Tag nach einer Demonstration gegen den „Pass Sanitaire“ ein bemerkenswert hinterhältiges „man darf sich nicht über Menschen lustig machen, die Angst haben“ des Premierministers. Mit jeder Rede wurde Schritt für Schritt das Gegenteil dessen vollzogen, was gesagt wurde.

Das Trolling wurde in Putins Russland als Firewall des Regimes gegen jede Kritik systematisiert und vom großen Zauberkünstler des Kreml, Wladislaw Surkow, theoretisch untermauert. Es ist nun die bevorzugte Regierungstaktik einer Welt geworden, die virtuell bankrott ist und deren einzige Hoffnung darin besteht, dass sich die Kraft der Logik, von der sie schon lange zur Strecke gebracht worden sein sollte, niemals gegen sie verbündet. „Das Ziel besteht darin, jede Wahrnehmung von der Welt zu unterminieren, damit die Menschen niemals wissen, was wirklich geschieht. […] Das ist eine Strategie der Machtausübung, die die Opposition in einem Zustand permanenter Verwirrung hält, in einem ständigen Wandel, gegen den man sich nicht wehren kann, weil man ihn nie definieren kann.“ (Adam Curtis, Oh dearism, 2009) Die Krisenkommunikation seit März 2020 übertrifft die gewöhnliche Toxizität einer Gesellschaft, die die Autonomie befördert und auf Unterwerfung beruht, die ihren Laufburschen den lieben langen Tag lang einhämmert, sich gesund zu ernähren, während sie ihnen jedes Mittel entzieht, es zu tun, die ohne Unterlass daran erinnert, dass sie eine Titanic ist, aber all jene verfolgt, die das Schiff zu verlassen versuchen. Die ganze Covid-„Krisenverwaltung“ basiert darauf, was Harold Searles das „Bestreben nannte, den Anderen verrückt zu machen“: „Die Etablierung jeglicher Art von zwischenmenschlicher Interaktion, die darauf gerichtet ist, im Anderen emotionale Konflikte zu begünstigen – darauf verschiedene Bereiche seiner Persönlichkeit in Widerspruch zueinander zu bringen –, tendiert dazu, ihn verrückt (d.h. schizophren) zu machen, […] und das Vertrauen des anderen in die Zuverlässigkeit der eigenen Gefühlsreaktionen und in seine Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit zu untergraben.“ (Harold Searles, Das Bestreben, den anderen verrückt zu machen, 1977)
Searles zufolge stellt das ein „psychologische[s] Äquivalent des Mordes“ dar.
Genau das haben wir erlebt, massenhaft.
Davor wird uns kein Strafgesetzbuch jemals schützen.
Soviel zur „sanften Methode“, dem Nudge und anderen Beispielen überbordenden Wohlwollens.